Alltag mit Zwillingsbabys - ein Interview mit Helen
Kategorie:
Eltern
Veröffentlicht:
Nov 17, 2021
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Gleich Zwillinge waren es bei Helen (32, Head of Content Strategy & Digital Growth bei PTC) aus der Nähe von München, die mit einem Schlag ihre Welt bereichert und gleichzeitig auch sehr verändert haben. 2 im Doppelpack - bedeutet das die doppelte Portion Glück und auch manchmal die doppelte Portion Schlaflosigkeit und Multitasking, liebe Helen?

Kinder verändern die Welt ihrer Eltern immer radikal, egal ob eins, zwei oder mehr. Mehrlinge sind natürlich eine Hausnummer. Kein Buch oder Kurs der Welt kann werdende Eltern darauf vorbereiten, was sie nach der Geburt ihres Nachwuchses erwartet. In unserem Fall waren die ersten Monate mit unseren beiden Mädchen sehr hart, da die Pandemielage kaum Familienbesuch zugelassen hat und wir komplett auf uns allein gestellt waren. Die Reserven können so einfach nie aufgefüllt werden. Rückblickend frage ich mich mittlerweile, wie wir manche Tage oder Wochen überstanden haben. Mein Mann und ich liefen über Monate im Ausnahmezustand. Das hinterlässt natürlich seine Spuren. Ich habe definitiv einige graue Haare und Falten mehr!

Wie machst du das und wie hast du dich beruflich für die Zeit entschieden? Komplett raus oder lieber wieder schnell zurück?

Ich musste ein komplettes Jahr Elternzeit nehmen, da wir erst ab einem Jahr einen Krippenplatz angeboten bekommen haben. Und tatsächlich hieß es bis zuletzt bangen, ob wir überhaupt irgendwo zwei Plätze bekommen. Mein Mann studiert aktuell und konnte keine Auszeit nehmen, aber er hat unterstützt, wann und wo er konnte. Seit September bin ich nun in Vollzeit zurück. Die Elternzeit oder auch das Eltern-Bootcamp, wie ich es nenne, hat mir jedoch auch viele Schwachstellen in unserer Gesellschaft offenbart. Als Zwillingsmutter ohne Supportsystem merkt man einfach, wie wenig digitale und ganzheitlich gedachte Angebote es für Eltern gibt. Das fängt bei der Betreuung der Kinder und Entlastung der Eltern an und reicht bis hin zu Themen wie Ernährung.  

Was bedeutet Vereinbarkeit für dich? Und wie teilen dein Mann und du euch die Alltags-To-DOS und Kinderthemen auf?

Vereinbarkeit bedeutet für mich täglich penibelste Planung und Organisation. Es ist kräftezehrend. Schon kleinste Planänderungen bringen das fragile Kartenhaus zum Einstürzen. Ohne funktionierende Kinderbetreuung gibt es keine Vereinbarkeit, denn wir haben keinerlei Familie vor Ort, die einspringen könnte. Und das bedeutet, dass ich meiner beruflichen Verantwortung nicht mehr nachgehen kann. Mein Arbeitgeber bietet zwar flexible Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten & Co., aber ich kann keinen komplett verpassten 8-Stunden-Tag nach 19 Uhr dranhängen. Wenn, zum Beispiel, die Kita erneut wegen eines Covid-19 Falls geschlossen wird, bin ich diejenige, die karriereseitig abgehängt wird. Ich weiß, dass dieser Spagat unzählige Familien belastet, aber manchmal denke ich mir ist es kein Wunder, wenn mindestens ein Elternteil kapituliert und einfach Vollzeit zuhause bleibt und die Care-Arbeit unentgeltlich leistet. Historisch gesehen ist dies ja nun oft die Mutter, mit allen Konsequenzen, deren wir uns heute sehr wohl bewusst sind.
Mein Mann balanciert gerade seine Bachelorarbeit, Bewerbungen schreiben und Familie. Die Belastung ist ebenfalls enorm. Wir versuchen uns jedoch bestmöglich mit unseren beruflichen Herausforderungen gegenseitig zu unterstützen und sind auch sonst ein paritätischer Haushalt. Mein Mann geht Einkaufen, kocht, hilft beim Saubermachen und kümmert sich ständig um die Kids. Mit Zwillingen lebt es sich manchmal wie Alleinerziehende – man hat immer irgendwie mindestens ein Kind im Arm oder am Rockzipfel. Die Mädels lieben ihren Papa. So kann er mich auch wirklich überall „ersetzen“, bis aufs Ins-Bett-Bringen, das geht bisher nur mit Mama. Aber wir sind ein Team und wirklich super eingespielt.  

Hand aufs Herz - habt ihr schon feste Rituale und wie machst du das mit dem Schlafen legen? Beide auf einmal oder gibt es für Zwillings-Kinder noch einen Geheimtipp?

Wir haben früh mit Ritualen begonnen. Nicht unbedingt den Kindern zuliebe, sondern um selbst kleine Anker zu haben, die einem im stressigen Alltag mit den Zwillingen helfen. Das Schlafen war bei uns, wie bei allen Eltern, lange und oft Thema. Eine meiner Töchter redet im Schlaf – eigentlich seit ihrer Geburt. Dazu kam, dass beide einen unterschiedlich Rhythmus in der Nacht hatten. Über Monate haben wir getrennt geschlafen. Mein Mann mit einer Tochter im Schlafzimmer, ich mit der anderen auf der Couch. Aber mit der Zeit haben wir uns gefunden und alle haben sich an den lauten Schlaf meiner Tochter gewöhnt. Seit dem 10. Monat klappt das parallel Ins-Bett-Bringen zu den Mittags- bzw. Tagesschläfchen und am Abend ebenfalls einwandfrei. Ich ziehe beiden ihre Pyjamas an, wir spielen einige Zeit ruhig im Kinderzimmer, ich dunkle das Zimmer nach und nach ab, dann stecke ich eine nach dem anderen in ihren Schlafsack, Spieluhr an, dann ab und zu etwas „Sccchhh“ und Rücken streicheln, wenn eine Zwergin den Tag nur schwer loslassen kann, und schon sind sie im Land der Träume.
Der Geheimtipp ist Loslassen und das Verständnis, dass der Schlaf sich innerhalb der ersten Lebensmonate permanent verändert. Was jedoch bleibt sind Rituale und liebevolle Gesten, die den Kindern die Sicherheit geben, die sie brauchen, um ohne ihre Eltern angstfrei und entspannt (durch) zu schlafen.

Was ist dir bei der Erziehung der Kids besonders wichtig?

Zwillinge müssen leider früh lernen ihre Eltern zu teilen. Von Anfang an ist da noch ein anderes Lebewesen, was Mama und Papa am liebsten 24/7 um sich hätte. Die Schwester ist daher nicht nur Spielkameradin, sondern eben auch Konkurrentin. Mir ist daher wichtig einzeln Zeit mit meinen Töchtern zu verbringen. Ich versuche jeder immer wieder ganz exklusive Mamazeit-Momente zu schenken. Wenn ich die beiden aus der Krippe abhole, gehört ihnen mindestens eine Stunde meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Kein Smartphone, kein Haushalt, nur Spielen und Kuscheln. Danach muss ich wieder an Dinge, wie Abendessen und Wäsche, denken. Apropos Abendessen, das Thema Ernährung ist mir extrem wichtig. Nach dem ich „Die Macht der ersten 1.000 Tage“ gelesen habe, war ich schockiert. Vor allem wenn ich in die Supermarktregale oder in manche Babykochbücher schaue. Die ersten Lebensjahre sind einfach so entscheidend für die langfristigen Essgewohnheiten und die Gesundheit unserer Kinder, dass ich mir gerade während der Beikosteinführung und dem Übergang zur Familienkost mehr smarte digitale Lösungen für Eltern gewünscht hätte. Ich arbeite deswegen mit einem kleinen Team an einer Produktidee und hoffe, diese irgendwann umsetzen zu können.  

Was gibt es bei deinen beiden denn morgens immer zum Frühstück? Hast du einen gesunden Breakfast-Tipp, der nicht viel Zeit und Aufwand kostet?

Unsere beiden lieben Overnight-Oats in den unterschiedlichsten Varianten, die abends schnell zubereitet sind und auch uns Erwachsenen super schmecken. An manchen Tagen geht auch mal nur griechischer Joghurt mit Clementinen oder anderem saisonalem Obst. Wenn es die Zeit zulässt, wie am Wochenende, gibt es auch mal selbstgemachte Brötchen, Waffeln oder Pancakes – selbstverständlich mit frischen Zutaten und ohne Industriezucker.

Last but not least: Hast du schon mal einen Babysitter benötigt bzw. wäre das eine Option für dich?

Wir bräuchten dringend eine Babysitterin oder einen Babysitter. Vor einiger Zeit konnten wir über die Caritas eine engagierte Leihoma für uns gewinnen. Jedoch ist ihre Verfügbarkeit stark eingeschränkt, meist einmal die Woche für 1 bis 1.5 Stunden. Mein Mann und ich sind schon länger auf der Suche nach regelmäßiger Entlastung, aber bisher konnte uns noch keine überzeugen. Eine Bekannte meinte letztens noch zu mir, dass niemand seine Nanny weiterempfiehlt, solange die Familie sie selbst noch braucht. Das beschreibt die Situation recht gut. Wir brauchen dringend eine Lösung wie nannyly!

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